Nachdem gestern bereits die IFPI Schweiz zur Diskrepanz zwischen den Aussagen der IFPI und der SUISA betreffend der Legalität von Musikdownloads Stellung genommen hat, ist heute nun auch die Antwort von Dr. Bernhard Wittweiler, dem Leiter Rechtsdienst der SUISA eingetroffen.
BloggingTom: Die Suisa behauptet auf in ihrem FAQ, dass der Download (und nur der Download) der Musikstücke legal sei. Die IFPI Schweiz behauptet im Factsheet – Raubkopieren aber genau das Gegenteil, nämlich dass der Download von Musikfiles aus Tauschbörsen illegal sei. Betrachtet man also ganz isoliert ausschliesslich den Download, ist dieser nun legal oder nicht? Und wenn nein, wieso nicht?
B. Wittweiler: Die SUISA behauptet nicht, der Download von Musicfiles von Tauschbörsen sei legal. Wir stehen auf dem Standpunkt, die Frage sei nicht endgültig geklärt. Nach unserer Beobachtung hat wohl eine Mehrheit der Juristen, die sich in der Schweiz zum Thema geäussert haben, die Meinung vertreten, der Download zu privaten Zwecken im Sinne des Urheberrechts sei erlaubt. Man muss betonen, dass dies ausschliesslich und ganz isoliert nur den Download betrifft. Einigkeit besteht darüber, dass der Upload und der Download differenziert betrachtet werden müssen. Und Einigkeit besteht auch darüber, dass der Upload illegal und damit strafbar ist.
BloggingTom: Gibt es für die Aussage, dass der Download von Musikfiles aus Tauschbörsen legal oder illegal ist, bereits entsprechende Gerichtsurteile in der Schweiz?
B. Wittweiler: Es gibt zur Frage des Downloads aus Tauschbörsen in der Schweiz (noch) kein Gerichtsurteil.
BloggingTom: Wie stehen Sie zur Aussage, dass die Gewinneinbrüche der Musikindustrie zumindest teilweise „hausgemacht“ sind, da mit immer rigideren Kopierschutzmassnahmen das „ungetrübte“ Hören teilweise verunmöglicht wird? Je nach angewandtem Kopierschutz lassen sich solche CDs teilweise ja noch nicht einmal mehr in Auto-CD-Playern abspielen. Zudem „verbietet“ mir die Musikindustrie (mit dem Kopierschutz) ja meistens auch, meine CDs am Computer zu hören.
B. Wittweiler: Die Ursachen für den Rückgang der CD-Verkäufe in den letzten Jahren sind uns unbekannt. Wir können nur Vermutungen anstellen. Wir vermuten, dass mehrere Ursachen dafür verantwortlich sind. Die von Ihnen angesprochenen Kopierschutzmassnahmen könnten vielleicht eine Ursache sein, sicher jedoch nicht die einzige.
In meinem Post „MP3-Download wirklich illegal?“ habe ich auf die Diskrepanz zwischen den Aussagen der IFPI und der Suisa bezüglich der Legalität von Musikdownloads aus Tauschbörsen hingewiesen.
Ich habe deshalb sowohl der IFPI Schweiz wie auch der Suisa einige Fragen per eMail gestellt, die nun Johannes Börker von der IFPI Schweiz wie folgt beantwortet hat:
BloggingTom: Die IFPI Schweiz behauptet im Factsheet – Raubkopieren, dass der Download von Musikfiles aus Tauschbörsen illegal sei. Die Suisa behauptet auf ihrer Internet-Seite aber genau das Gegenteil, nämlich, dass der Download (und nur der Download) der Musikstücke legal sei. Betrachtet man also ganz isoliert ausschliesslich den Download, ist dieser nun legal oder nicht? Und wenn nein, wieso nicht?
J. Börker: Richtig ist, dass einhellig die Meinung vertreten wird, dass jeglicher Upload urheber- und leistungsrechtlich geschützter Rechtsgüter illegal und gemäss Art. 67 und 69 URG strafbar ist, weil das Privatkopierrecht des Art. 19 URG den Uploader nicht schützt, da hierfür Voraussetzung wäre, dass ein Geschehen im engen Familien- und Freundeskreis vorliegt, was beim weltweiten Filesharing ersichtlich nicht der Fall ist.
Richtig ist ferner, dass umstritten ist, ob der Download einer unautorisiert hochgeladenen Musikdatei illegal ist. Wir meinen, dass auch hier eine Illegalität zu bejahen ist, weil nur eine legale Kopiervorlage der Erstellung einer legalen Kopie dienen, also nur der legale Upload einen legalen Download nach sich ziehen kann. Ferner kommt hinzu, dass der Download aus einem p2p-System mangels engen Familien- oder Freundeskreises, innerhalb dessen sich diese Vorgänge vollziehen, so oder so illegal ist, weil er eben nicht vom Privatkopierrecht des Art. 19 URG geschützt wird.
BloggingTom: Gibt es für die Aussage, dass der Download von Musikfiles aus Tauschbörsen illegal ist, bereits entsprechende Gerichtsurteile in der Schweiz?
J. Börker: Uns ist noch kein entsprechendes Urteil bekannt geworden, das sich ausdrücklich hierzu geäussert hätte. Wir halten es aber für möglich, dass es im Zuge unserer Aktion Game Over früher oder später zu einem Urteil kommen könnte.
BloggingTom: Wie stehen Sie zur Aussage, dass die Gewinneinbrüche der Musikindustrie zumindest teilweise „hausgemacht“ sind, da mit immer rigideren Kopierschutzmassnahmen das „ungetrübte“ Hören teilweise verunmöglicht wird? Je nach angewandtem Kopierschutz lassen sich solche CDs teilweise ja noch nicht einmal mehr in Auto-CD-Playern abspielen. Zudem „verbietet“ mir die Musikindustrie (mit dem Kopierschutz) ja meistens auch, meine CDs am Computer zu hören.
J. Börker: Wohl niemand unter unseren Mitgliedern ist so naiv zu glauben, dass einzig und allein das massenhafte „Filesharing“ für die Umsatzrückgänge verantwortlich ist. Natürlich gibt es daneben auch andere Gründe. Das „Filesharing“ ist aber EIN wichtiger Grund, und es ist gewiss nicht so, dass nicht auch an anderen Fronten andere Ursachen der Umsatzrückgänge bekämpft werden würden. Die Kopierschutzprobleme sind nach unserer Erfahrung dramatisch übertrieben, was ihr tatsächliches Ausmass betrifft. Unsere Mitglieder sind diesbezüglich aber sensibel und selbstverständlich darauf aus, Kopierschutz nicht als Konsumentenärgernis zu plazieren, sondern Einschränkungen nur in zumutbarem Ausmass vorzusehen. Wir weisen darauf hin, dass in der EU bereits die Umgehung von Kopierschutzmassnahmen unter Strafe gestellt wird, so dass wir unsere Mitglieder auch hierzulande auf dem grundsätzlich richtigen Wege wähnen.
BloggingTom: Wenn die IFPI nun auf der wortgenauen Auslegung der Schweizer Gesetzgebung besteht, wie steht die IFPI denn zum neuen Kopierschutz von Sony, XCP-Aurora? Dieser greift tief in das Betriebssystem ein und könnte durchaus zur Verletzung von bestehendem Recht führen.
J. Börker: Vom angeblichen Problem mit einem neuen Kopierschutz von SonyBMG wissen wir bislang auch nur aus der Presse. Hierzu sei angemerkt, dass der Verband IFPI Schweiz selbst mit Kopierschutzfragen überhaupt nicht befasst ist. Dies ist eine Angelegenheit, die allein durch unsere Mitglieder gehandhabt wird.
Die Schonfrist der IFPI Schweiz ist vorbei: Ab heute will der Verband der Schweizer Musikwirtschaft IFPI verstärkt gegen private Raubkopierer vorgehen und zivil- wie auch strafrechtliche Massnahmen gegen die „Erwischten“ einleiten. Die IFPI schreibt, dass private Kopierer bis heute nicht belangt wurden, weil die Musikwirtschaft auf „die in der Schweiz verankerte Tradition individueller Verantwortung vertraut“ hat. Dazu gehöre auch der Respekt vor dem Eigentum anderer: „Es hat sich aber leider gezeigt, dass der durch private Raubkopierer entstandene wirtschaftliche Schaden in der Schweiz grösser ist als im Rest Europas.“
Und weiter:
Nach Angaben der Tonträgerproduzenten beträgt der Umsatzeinbruch durch Raubkopieren mehr als 25 Mio. Franken jährlich, der Gesamtschaden seit 2001 beträgt rund 135 Mio. Franken. Durch Raubkopieren gingen in den vergangenen drei Jahren in der Schweiz rund 600 Arbeitsplätze verloren. Davon sind alle Berufsgruppen betroffen, die direkt oder indirekt ihren Lebensunterhalt mit Musik bestreiten. Textdichter, Komponisten, Interpreten, Musiker und Labels, Tonstudios, Techniker und Händler. Auch mehrere Schweizer Fachhändler mussten in den vergangenen Jahren wegen der Umsatzeinbrüche schliessen.
Mit Arbeitsplätzen argumentierte auch die Business Software Alliance (BSA) im Mai dieses Jahres, allerdings mit dem Unterschied, dass laut BSA die Software-Raubkopierer in der Schweiz tatsächlich abgenommen hätten. Nur: Wie ich in meinem damaligen Post „Wo sind denn nun die Arbeitsplätze?“ aufgezeigt habe, sind die propagierten Zahlen über verlorene Arbeitsplätze nicht mit neugeschaffenen Arbeitsplätzen gleichzusetzen. Mit der Rechnung der BSA hätten nämlich mindestens 2100 Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, allerdings musste die BSA auf meine Anfrage hin zugeben, dass „nur“ 300 vorher arbeitslose Informatiker eine Stelle fanden.
Auch der Musikindustrie mag ich die Zahlen nicht so recht abnehmen, denn laut IFPI sollen in den vergangenen drei Jahren durch Raubkopieren rund 600 Personen, die direkt oder indirekt von Musik leben, ihren Job verloren haben. Das mag zwar stimmen, hat aber wohl nicht „nur“ mit Raubkopierern zu tun. Vielmehr sind da wohl auch veränderte Konsumgewohnheiten schuld, bspw. das von der IFPI propagierte Einkaufen der Musik via Internet. Darunter leiden die angesprochenen Fachhändler nämlich genauso.
Ebenfalls wage ich zu bezweifeln, dass es 600 neue Arbeitsplätze geben wird, würden die Schweizer Raubopierer von einem Tag auf den anderen verschwinden.
Aber zurück zum Thema:
Interessant an der ganzen Diskussion ist ja nur schon die Tatsache, dass sich die IFPI Schweiz als Vertreter der Musikwirtschaft und die SUISA als Schweizerische Gesellschaft für die Rechte der Urheber musikalischer Werke absolut uneinig darüber sind, ob Downloads von Musikstücken aus Tauschbörsen nun illegal ist oder eben nicht.
Während die IFPI nämlich darauf hinweist, dass das Tauschen von Musik über Tauschbörsen gegen Artikel 19 des Bundesgesetz über das Urheberrecht verstosse, argumentiert die SUISA, dass der Download (und nur der Download!) durchaus legal sei:
Nach überwiegender Meinung ist jedoch das Downloaden in der Schweiz auch ohne Zustimmung der Rechtsinhaber erlaubt, selbst wenn das Angebot illegal ist. Gerichtsurteile dazu gibt es allerdings noch keine, so dass die Frage einstweilen nicht abschliessend beantwortet werden kann (in Deutschland zum Beispiel ist das Herunterladen von „offensichtlich“ illegalen Angeboten verboten).
Damit erteilt die SUISA dem Downloader zwar keinen Freipass, ist aber immerhin um Längen ehrlicher als die IFPI, da sie den „jetztigen“ Wissenstand weitergibt. Die IFPI allerdings scheint hier mehr mit dem Mittel der Einschüchterung zu arbeiten und will nun rigoros gegen ihre eigenen Kunden vorgehen (auch wenn die nicht immer alles gleich auf CD kaufen)..
Fazit: Ob Downloads aus Tauschbörsen in der Schweiz legal oder illegal sind, steht offenbar noch nicht abschliessend fest und wird wohl erst durch ein Gerichtsurteil geklärt werden können. Allerdings sehe ich die Tatsache, dass selbst die SUISA davon ausgeht, dass solche Downloads legal sind, durchaus positiv. Denn es stellt sich wirklich die Frage, wie eine Vereinigung wie die SUISA, die naturgemäss Einnahmen aus Musik generieren bzw. die Tantiemen für Künstler sammelt, offen zugibt, dass solche Downloads legal sind. Einfach nur so aus Nächstenliebe zum Raubkopierer wird sie das wohl kaum tun..
Anmerkung: Ich habe sowohl die IFPI als auch die SUISA um eine Stellungnahme zum rechtlichen Aspekt gebeten. Von beiden Parteien habe ich bis jetzt noch keine Antwort, werde diese aber veröffentlichen, sobald ich diese erhalte.
Die Stellungnahmen sind eingetroffen und in den Posts „IFPI-Stellungnahme zum MP3-Download“ und „SUISA-Stellungnahme zum MP3-Download“ nachzulesen.
Posts in anderen Blogs zum Thema IFPI:
[Update] 11:26 Uhr
Auch der Tages-Anzeiger beschäftigt sich mit der Frage der Strafbarkeit von MP3-Downloads:
Die IFPI Schweiz will nun „konsequent gegen Raubkopierer durchgreifen“ und versendet seit letzter Woche eine „letzte Warnung“ an Filesharer. So erscheine eine Nachricht am Bildschirm von Internet-Benutzern, wenn diese zum Raubkopieren von Musik eine Tauschbörse im Internet aufsuchen.
Dies sei quasi die letzte Warnung, bevor ab Mitte November gegen Raubkopierer von Musikfiles im Internet konsequent durchgegriffen werde, erklärt die IFPI in einer Pressemitteilung.
Damit zieht nun die IFPI Schweiz das gleiche Szenario gegen Tauschbörsen-Nutzer durch, das wir zum Beispiel schon von Deutschland kennen. Allerdings muss die IFPI hierzulande wohl etwas vorsichtiger vorgehen, denn die Rechtslage in der Schweiz ist (zum Glück) doch ein klein wenig anders als in Deutschland. So ist nämlich zumindest der Download von urheberrechtlich geschützter Musik in der Schweiz absolut legal. Probleme können Normal-User somit nur bekommen, wenn sie die heruntergeladenen Dateien gleich wieder in der Tauschbörse anbieten. Genau dies machen aber die meisten Peer-to-Peer Clients automatisch, sofern man die entsprechenden Einstellungen nicht ändert. Somit sollte man mit dem Ändern der Einstellungen also bereits auf der sicheren Seite sein.
Was ich mir noch nicht ganz vorstellen kann, ist, wie die IFPI die „Instant Message“ an die Nutzer senden will. Ich habe bei meinen gerade duchgeführten Testlauf (rund 15 Minuten mit eMule online) denn auch keine solche Message erhalten. Allerdings hätte ich vielleicht urheberrechtlich relevantes Material anbieten sollen, damit der Test geklappt hätte…