MP3-Download wirklich illegal?

Die Schonfrist der IFPI Schweiz ist vorbei: Ab heute will der Verband der Schweizer Musikwirtschaft IFPI verstärkt gegen private Raubkopierer vorgehen und zivil- wie auch strafrechtliche Massnahmen gegen die „Erwischten“ einleiten. Die IFPI schreibt, dass private Kopierer bis heute nicht belangt wurden, weil die Musikwirtschaft auf „die in der Schweiz verankerte Tradition individueller Verantwortung vertraut“ hat. Dazu gehöre auch der Respekt vor dem Eigentum anderer: „Es hat sich aber leider gezeigt, dass der durch private Raubkopierer entstandene wirtschaftliche Schaden in der Schweiz grösser ist als im Rest Europas.“

Und weiter:

Nach Angaben der Tonträgerproduzenten beträgt der Umsatzeinbruch durch Raubkopieren mehr als 25 Mio. Franken jährlich, der Gesamtschaden seit 2001 beträgt rund 135 Mio. Franken. Durch Raubkopieren gingen in den vergangenen drei Jahren in der Schweiz rund 600 Arbeitsplätze verloren. Davon sind alle Berufsgruppen betroffen, die direkt oder indirekt ihren Lebensunterhalt mit Musik bestreiten. Textdichter, Komponisten, Interpreten, Musiker und Labels, Tonstudios, Techniker und Händler. Auch mehrere Schweizer Fachhändler mussten in den vergangenen Jahren wegen der Umsatzeinbrüche schliessen.

Mit Arbeitsplätzen argumentierte auch die Business Software Alliance (BSA) im Mai dieses Jahres, allerdings mit dem Unterschied, dass laut BSA die Software-Raubkopierer in der Schweiz tatsächlich abgenommen hätten. Nur: Wie ich in meinem damaligen Post „Wo sind denn nun die Arbeitsplätze?“ aufgezeigt habe, sind die propagierten Zahlen über verlorene Arbeitsplätze nicht mit neugeschaffenen Arbeitsplätzen gleichzusetzen. Mit der Rechnung der BSA hätten nämlich mindestens 2100 Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, allerdings musste die BSA auf meine Anfrage hin zugeben, dass „nur“ 300 vorher arbeitslose Informatiker eine Stelle fanden.

Auch der Musikindustrie mag ich die Zahlen nicht so recht abnehmen, denn laut IFPI sollen in den vergangenen drei Jahren durch Raubkopieren rund 600 Personen, die direkt oder indirekt von Musik leben, ihren Job verloren haben. Das mag zwar stimmen, hat aber wohl nicht „nur“ mit Raubkopierern zu tun. Vielmehr sind da wohl auch veränderte Konsumgewohnheiten schuld, bspw. das von der IFPI propagierte Einkaufen der Musik via Internet. Darunter leiden die angesprochenen Fachhändler nämlich genauso.
Ebenfalls wage ich zu bezweifeln, dass es 600 neue Arbeitsplätze geben wird, würden die Schweizer Raubopierer von einem Tag auf den anderen verschwinden.

Aber zurück zum Thema:
Interessant an der ganzen Diskussion ist ja nur schon die Tatsache, dass sich die IFPI Schweiz als Vertreter der Musikwirtschaft und die SUISA als Schweizerische Gesellschaft für die Rechte der Urheber musikalischer Werke absolut uneinig darüber sind, ob Downloads von Musikstücken aus Tauschbörsen nun illegal ist oder eben nicht.
Während die IFPI nämlich darauf hinweist, dass das Tauschen von Musik über Tauschbörsen gegen Artikel 19 des Bundesgesetz über das Urheberrecht verstosse, argumentiert die SUISA, dass der Download (und nur der Download!) durchaus legal sei:

Nach überwiegender Meinung ist jedoch das Downloaden in der Schweiz auch ohne Zustimmung der Rechtsinhaber erlaubt, selbst wenn das Angebot illegal ist. Gerichtsurteile dazu gibt es allerdings noch keine, so dass die Frage einstweilen nicht abschliessend beantwortet werden kann (in Deutschland zum Beispiel ist das Herunterladen von „offensichtlich“ illegalen Angeboten verboten).

Damit erteilt die SUISA dem Downloader zwar keinen Freipass, ist aber immerhin um Längen ehrlicher als die IFPI, da sie den „jetztigen“ Wissenstand weitergibt. Die IFPI allerdings scheint hier mehr mit dem Mittel der Einschüchterung zu arbeiten und will nun rigoros gegen ihre eigenen Kunden vorgehen (auch wenn die nicht immer alles gleich auf CD kaufen)..

Fazit: Ob Downloads aus Tauschbörsen in der Schweiz legal oder illegal sind, steht offenbar noch nicht abschliessend fest und wird wohl erst durch ein Gerichtsurteil geklärt werden können. Allerdings sehe ich die Tatsache, dass selbst die SUISA davon ausgeht, dass solche Downloads legal sind, durchaus positiv. Denn es stellt sich wirklich die Frage, wie eine Vereinigung wie die SUISA, die naturgemäss Einnahmen aus Musik generieren bzw. die Tantiemen für Künstler sammelt, offen zugibt, dass solche Downloads legal sind. Einfach nur so aus Nächstenliebe zum Raubkopierer wird sie das wohl kaum tun..

Anmerkung: Ich habe sowohl die IFPI als auch die SUISA um eine Stellungnahme zum rechtlichen Aspekt gebeten. Von beiden Parteien habe ich bis jetzt noch keine Antwort, werde diese aber veröffentlichen, sobald ich diese erhalte.

Die Stellungnahmen sind eingetroffen und in den Posts „IFPI-Stellungnahme zum MP3-Download“ und „SUISA-Stellungnahme zum MP3-Download“ nachzulesen.

Posts in anderen Blogs zum Thema IFPI:

[Update] 11:26 Uhr
Auch der Tages-Anzeiger beschäftigt sich mit der Frage der Strafbarkeit von MP3-Downloads:

22 Comments

  1. Frosch 25.11.2005
  2. Musikman 27.11.2005
  3. BloggingTom 27.11.2005
  4. Frosch 29.11.2005
  5. BloggingTom 29.11.2005
  6. frischfrosch 18.12.2005
  7. Rötte 24.12.2005
  8. peter 24.01.2006
  9. Dominik 25.01.2006
  10. boing 31.01.2006
  11. rötte 3.02.2006
  12. boing 3.02.2006
  13. walid 19.03.2006
  14. Daiwa 26.03.2006
  15. Tobias 11.11.2006
  16. Stefan 16.11.2006
  17. beck 2.01.2007
  18. Stefan 15.01.2007
  19. mike 18.01.2007
  20. Stefan 25.01.2007
  21. Donnie Darko 27.02.2008
  22. Richard 6.06.2009