Matthias muss ja ganz spezielle Kollegen haben, wenn die ihm so ein Fake zusenden:
Wiesbaden. Das BKA schlägt Alarm: Immer mehr Internetznutzer werden Opfer sogenannter “Blogger”. Sobald der Nutzer einen solchen “Blog” besucht, wird er intensiv umworben: Dort unterhalten die “Blogger” nämlich Empfehlungslisten derjenigen Blogs, die weiterempfohlen werden sollen; sogenannte “Blogrolls”. Damit nicht genug, werden die “Blogger” auch tätig indem sie mit “Trackbacks” und “Comments” in anderen, unbeteiligten Blogs für den eigenen Blog werben. Primär sollen die Werbeeinnahmen der beworbenen “Blogs” gesteigert werden.
Fatal für die Opfer: Einmal in den Fängen der “Blogger”, verbringen sie Stunden und Tage mit Lektüre und Weiterempfehlung der “Blogs”. Viele “Blogger” vernachlässigen deshalb ihre Pflichten: Manchen “Bloggern” wurde vom Arbeitgeber wegen “Bloggens” am Arbeitsplatz bereits gekündigt, anderen wurde die Kündigung angedroht; auch von Scheidung wegen “Blogs” wird schon geredet.
Aufgrund ihres suchtartigen “Blog”-Konsums und dem psychischen Druck durch andere “Blogger” ist es für die Opfer schwer, aus dem Schneeballsystem wieder auszusteigen.
Gemäss einem Sprecher der BKA ist momentan trotz intensiver Nachforschungen unbekannt, welche Firma für dieses illegale Schneeballsystem verantwortlich ist. Internetbenutzer werden deshalb eindringlich gewarnt, sich von “Blogs” fernzuhalten. Allfällige verdächtige Beobachtungen sind dem BKA zu melden.
Andererseits: Irgendwie ist das gar nicht so falsch, denn bloggen macht schon etwas süchtig. Mache ich mich jetzt strafbar, weil ich in einem Schneeballsystem mitmache?
Vier Monate nach dem Start der Blick-Blogs Blogalisierung und Blogstetten ist auch schon wieder Schluss: Blogalisierung wurde bereits Mitte August eingestellt, Blogstetten folgt Ende Monat.
Dass die Zugriffszahlen „weit unter den Erwartungen liegen“, vermuteten wir Blogstetten-Blogger schon länger und dies ist nun auch der offizielle Grund für die Einstellung der Blogs.
Auch ich muss mich diesbezüglich an der Nase nehmen, lag meine Postingfrequenz doch seit Ende Juni bei Null. Die Gründe dafür waren vielfältig: Grössere berufliche Auslastung, Unsicherheiten über die Ausrichtung der Blogs (bzw. deren Inhalte) aber auch mangelnde Rückmeldung (Kommentare) der Leser. Schaut man sich nämlich die Kommentierenden an, stellt man schnell fest, dass es sich dabei meist um andere Blogger handelt. Das ist per se ja nichts schlechtes, aber man hätte sich doch etwas Feedback der Blick-Leser gewünscht.
Ich für meinen Teil hatte stets das Gefühl, dass die Blick-Leser anstelle unserer (meist) belanglosen Texte „richtige“ News erwartet haben. Aktuelle Tagesnews also, die wir als normale Blogger gar nicht bringen konnten, weil uns der Zugriff auf die entsprechenden Nachrichtenquellen und -agenturen fehlt.
Festgehalten wird beim Blick jedoch am Konzept der themenspezifischen Blogs zu bestimmten Ereignissen. Das Brasilblog des Blick zur Fussball WM erfreute sich nämlich hoher Zugriffszahlen und gleichzeitig zahlreichen Kommentaren. Allerdings ist das für mich auch nicht weiter verwunderlich, ist doch gerade die Sportberichterstattung einer der Trümpfe des Blicks und damit finden sich auch viele interessierte Leser und Kommentatoren.
Wie auch immer: Es war eine spannende Erfahrung für mich und ich habe interessante Leute kennengelernt. Nur schon deshalb hat es sich gelohnt, am „Experiment“ Blogstetten mitzumachen. Herzlichen Dank an Alle, die das möglich gemacht haben!
In der aktuellen Ausgabe des Magazins „m“ der Mediengewerkschaft Comedia ist ein Artikel über die Old Media-Blogger erschienen. Unter dem Titel „Die tägliche Ration Wahnsinn“ beschreibt Autor Daniel Bouhafs die Aufbruchstimmung in Sachen Blogs bei Verlagen und Fernsehstationen.
Die beiden bloggenden Chefredaktoren Christoph Grenacher (SonntagsBlick) und Ueli Haldimann (SF) kommen dabei eher schlecht weg:
Wobei beide Herren eine wichtige Essenz, die das Bloggen ausmacht, sträflich vermissen lassen: stets Klartext zu schreiben. Nebulöse Formulierungen wie „der Chefredaktor eines Blattes“ (Grenacher) oder „ein externer Journalist erstattete Anzeige, worauf das Bakom ein Verfahren eröffnet hat“ (Haldimann) sind für Blogger ein gefundenes Fressen.
Aber auch die Weltwoche und Mirko Marr, Medienwissenschaftler und Zitatgeber für den Kurzbericht bei DRS3 über den beendeten Hype der Blogs erhalten Seitenhiebe (was Claudio freuen dürfte, oder?):
„Foren, Auktionen, Chatrooms,Sexseiten – das wenigste hat sich tatsächlich durchgesetzt“, diktierte er ihnen [DRS3] ins Mikrofon. Offensichtlich, so muss man folgern, ist eBay nicht auf dem Radar des Forschers aufgetaucht – von sex.com ganz zu schweigen. Diese Domain wechselte für rekordverdächtige 12 Millionen Dollar den Besitzer.
Wenig Sympathie hat Daniel auch für die Blogs von Facts, „Sekten-Hugo“ Stamm, oder Nervengift. Viel eher dem blogophilen Massstab des Schreibers entspricht aber das Sportblog „Zum runden Leder„, „Zur Lage der Welt“ oder Vontobels Blog.
Alles in allem eine gelungene Übersicht über die Old Media-Blogger, wobei auch ein Kompliment an die Blogosphäre vom Medienwissenschafter Lorenz Lorenz-Meyer (jaja, schon wieder einer…) nicht fehlen darf:
Schon heute muss einem ein Journalist, der zu seinem Arbeitsgebiet die einschlägigen Weblogs nicht kennt oder der noch nie von der Möglichkeit gehört hat, sich über automatisierte und massgeschneiderte Nachrichtenfeeds auf dem Laufenden zu halten, antiquiriert erscheinen.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Journalisten auch (mehr) daran gewöhnen werden, ihre (Blog-) Quellen in den Artikeln zu nennen.
Der gesamte Artikel zum Download:
Die tägliche Ration Wahnsinn (Seite 1, Seite 2) [PDF]
Danke an den Autor Daniel Bouhafs für die Zustimmung zur Veröffentlichung der PDF’s.