Journalisten-Märchen

Prime Tower in Zürich - Fotomontage

An Artikeln von Journalisten zweifeln die wenigsten, schliesslich nimmt man an, dass (Berufs-) Journalisten Ihre Informationen prüfen. Oliver Stock, seines Zeichens Auslandskorrespondent in Zürich für das deutsche Handelsblatt, hat es sich aber etwas gar einfach gemacht. In seinem Post „Baulöwen“ im Blog des Handelsblatt schreibt er über das Planungsverfahren des Prime Tower in Zürich:

Dumm ist nur, dass es in dem Land, in dem sich alle an viele Regeln halten, ein Gesetz gibt, das vorschreibt, dass jedes Bauwerk vor Beubeginn „ausgesteckt“ werden muss. Das heißt, es muss ein Holzgerüst errichtet werden, das die Umfänge des geplanten Gebäudes andeutet. Nachbarn sollen sich so schon mal an den Anblick gewöhnen oder Einspruch erheben.

Im Fall des höchsten Hauses wird so ein Holzgerüst ziemlich wackelig. Der Bauherr hat deswegen jetzt einen Hubschrauber gemietet. Drei Tage hat der zwei Stunden genau in 126 Meter Höhe über der Baustelle gekreist, damit sich die Nachbarn das vorstellen können. Hopp Schwyz . . .

Ach ja? Hat der Hubschrauber da wirklich an drei Tagen je 2 Stunden gekreist? Nein, hat er nicht! Die Umweltverbände hätten da wohl ziemlich laut aufgeschrieen. Journalist Stock hat seine Informationen wohl aus dem Bericht des Tages-Anzeiger vom 17. Juni 2006, wo dieser Helikoptereinsatz angekündigt wurde. Dieser wurde aber einen Tag später in der gedruckten Ausgabe korrigiert, denn der Artikel beruhte auf einem Missverständnis: Der Helikopter wurde nur zur Montage des Baugespanns benötigt und es war nie vorgesehen, die Bauhöhe mit dem Helikopter anzuzeigen.
Trotzdem schreibt Oliver Stock in seinem Blog-Artikel vom 6. Juli 2006 noch immer vom kreisenden Helikopter. Vielleicht hätte Stock den Bauplatz mal vor Ort besichtigen oder sich zumindest den Bericht im Schweizer Fernsehen ansehen sollen. Auch die Bauherrin Swiss Prime Site AG hätte ihm, so wie mir, sicherlich gerne Auskunft gegeben.

Kommt dazu, dass die Bauherrin das Hochhaus nach Absprachen mit Behörden und der Stadt nur bis zu einer Höhe von 42 Metern hätte „ausstecken“ müssen, freiwillig aber doch die ganze Höhe markiert. Dass das aber mit einem „Holzgerüst“ kaum machbar ist, hätte auch Oliver Stock auffallen müssen. Mit „Holzgerüsten“ steckt man hierzulande vielleicht noch kleine Anbauten aus, alles andere wird aber mit grösseren oder kleineren Stahlpfosten oder -gerüsten markiert.

Fazit: Sehr schlecht recherchiert, Herr Stock. Nachsitzen!

10 Comments

  1. Arne Völker 7.07.2006
  2. Alex 8.07.2006
  3. Shandokan 10.07.2006
  4. Naryn 16.07.2006
  5. BloggingTom 17.07.2006
  6. Naryn 17.07.2006
  7. BloggingTom 17.07.2006
  8. Naryn 17.07.2006
  9. BloggingTom 17.07.2006