Es ist ja eine Krux: In Zeiten von Internet, Social Media und all dem Kram ist es zwar ein leichtes, sich über mögliche Wunschautos zu informieren. Und die Autoindustrie gibt sich mit aufwändig gestalteten Webseiten auch redlich Mühe, potentielle (Neu-) Kunden bei Laune zu halten. Und so geht man also hin, klickt sich im Konfigurator durch Motoren, Farben in Uni, Metallisiert und …, wählt Dachhimmelfarben oder entscheidet sich für einen Regensensor.
Aber: Den Regensensor gibts nur, wenn man sich für die 19-Zoll-Felgen entscheidet, den Totwinkelassistenten nur mit gleichzeitiger Wahl der Volllederausstattung und die abgedunkelten Scheiben nur bei Bestellung des 18-fach verstellbaren, mit Massagefunktionen veredelten, mit dreifach-Memory ausgestattetem Fahrersitz. Das treibt den Preis – natürlich – in athmosphärische Höhen. In der Tat, gerade die deutschen Hersteller tun sich hier mit aberwitzigen Konstellationen hervor, die beim potentiellen Käufer für reichlich Stirnrunzeln sorgen.
Andere Hersteller wiederum versprechen das Blaue vom Himmel. Wie etwa Range Rover, wo man sich für 1640 Franken Adaptive Xenon-Scheinwerfer mit LED-Signatur dazukonfigurieren kann. Grandios, denn diese Ausstattung schützt gemäss Beschreibung die Sitze vor Schmutz und Abnutzung.
BMW wiederum scheint während der Konfiguration immer wieder sprachlos zu sein. Und so poppt, wie aus dem Nichts, immer mal wieder ein leeres Fenster auf. Wenn denn zumindest Zeit dafür bleibt, denn meistens bringt eine freiwillig angeklickte Option zwei neue, zwangsweise zu ordernde Optionen mit sich.
Und bei VW wiederum mag mans quer. Wie quer, weiss allerdings nur Volkswagen selber. Querer gings bei mir zumindest nicht.
Aber ein potentieller Käufer lässt sich nicht so schnell abschrecken. Ist das Auto erst mal konfiguriert und in die engere Auswahl gekommen, heisst es Probefahren.
Probefahren!
Doch halt: So einfach ist das eben auch nicht. Zwar bin ich jetzt zwei Autos unterschiedlicher Hersteller probegefahren, aber bei beiden Versuchen blieb ich etwas ratlos zurück. Der Grund dafür? In keinem der beiden Fälle stand die von mir gewünschte Motorenvariante zur Verfügung. Beide Male wollte ich einen Benziner testen, anbieten konnte man mir aber immer nur eine Dieselvariante. Das mag für einen ersten Eindruck nicht schlecht sein, macht die Entscheidung aber nicht leichter. Denn so müsste man bei einem möglichen Kauf die Katze den Motor im Sack kaufen. Und ja, ich würd schon gern wüssen, wie sich der Motor, den ich gerne haben würde, anstellt. Immerhin, und das sei hier angemerkt, wurde mir in einem Fall angeboten, bei wirklichem Interesse noch die gewünschte Motorenvariante für eine Testfahrt zu organisieren.
Veraltete Vertriebsstrukturen?
Der Prozedere Autokauf hat sich in den letzten 50 Jahren nicht grossartig verändert. Dafür kommen kleinere Markenhändler immer mehr unter Druck. Vorschriften, wie ihr Verkaufsgeschäft auszusehen hat, welche Quadratmeterzahl es ausweisen muss und Vorgabe von Verkaufszielen sind nur einige Faktoren, die dem klassischen KMU von nebenan immer mehr Sorgen machen. Dass diese die Fahrzeuge für ihre Ausstellung ohne Wenn und Aber kaufen müssen, geht dann auch noch arg an die Liquidität. Kunststück, dass dann meistens die Modellvariante, die man haben möchte, nicht dort zu sehen ist. Und erst recht nicht zu probefahren ist.
Hier schlägt die Stunde der riesigen Glaspaläste, die die Hersteller oder Importeure am liebsten auch gleich selber betreiben. Da gibts dann Autos in allen möglichen Ausführungen und Motorvarianten, natürlich auch zum Probefahren. Damit schlägt man dann gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Der Zwischenhandel ist ausgeschaltet, die Gewinnspanne – und damit für schlaue Verhandler auch die Rabattspanne – nochmals etwas grösser und man ist direkt am Kunden dran. Eine zweischneidige Entwicklung wie ich finde. Ich bleib dabei, das KMU vor Ort zu unterstützen.
Übrigens: Noch habe ich mich nicht für ein Fahrzeug entschieden. Die Probefahrten bleiben also spannend.
(Titelbild: Creative Commons flickr.com/Luiz Eduardo)
Du willst keine immer neu aussehende und sauberen Sitze? Verstehe ich jetzt nicht :p 😀
Ein guter Zeitpunkt, einen Tesla probezufahren und ihn dann ohne komische Zwänge online zu konfigurieren. 😉
ich frag ja schon seit mehr als 2 Jahren, wer knackt den Automarkt?
„Und bei VW wiederum mag mans quer. Wie quer, weiss allerdings nur Volkswagen selber. Querer gings bei mir zumindest nicht.“ – Hahaha, ich kann nicht mehr!
Jedes Auto wird vor dem Verlassen des Werkes gründlich auf kleinste Mängel kontrolliert. Jedes Spaltmass muss sitzen. Bei noch so professionellen Webauftritten ist dies leider eher selten der Fall.
Volltreffer !
Es ist wirklich mehr Frust als Freude. Und wenn man sich beispielsweise mal für einen PKW entschieden hat ( z.B. VAG Gruppe ) dann ist das neue Auto innerhalb kurzer Zeit voller Mängel.
In unserem Fall war es ein PKW >50.000€ , der schon 2 Wochen nach Werksabholung in die Werkstatt musste. Dabei wurde der halbe Kabelbaum zerlegt, weil irgendwo ein elektrischer Fehler vorlag.
Nun einige Zeit später und einen Blick in die TPI Liste ( kann man durch das erwin Portal kostenpflichtig bekommen ) , sieht es so als als würde der Wagen +20 Mängel haben.
Noch ist Garantie vorhanden, aber eine Freude ist das nicht mehr!
Wo ist bloß die Qualität geblieben ?
Die Hersteller haben erkannt, dass Qualität zwar gewünscht wird aber offensichtlich nicht so wichtig ist. Ich war zwanzig Jahre lang Autoverkäufer bei einem japanischen Konzern und bin dann zu einem deutschen Hersteller gewechselt (seit 5 Jahren bin ich selbständig im Bereich Webdesign)…
Wenn ich sehe was für die Kunden von deutschen Fahrzeugen „normal“ ist fasse ich mir an den Kopf. Das wäre von den Kundenden von Hon… niemals toleriert worden.
Aber: 5 Jahre Garantie verkaufen sich eben nicht so gut wie eine Klimaautomatik und Alufelgen (also das, was der Kunde sieht un anfassen kann).