
Mit dem Einbezug von „Bürgerjournalismus-Aktivitäten“ machen es die Medien seit einiger Zeit vor. Nun wollen auch Firmen nicht mehr abseits stehen und zapfen ihre Kunden als billige Ideenlieferanten an. Auf der Schweizer Plattform „Open Innovation“ haben sich gut klingende Namen wie Google, Swisscom, Ringier, Die Post, Toshiba und andere versammelt und buhlen um Ideen für zukünftige Services. Das Pilotprojekt des Berner Start-Ups Open Innovation GmbH wird im Rahmen eines nationalen Forschungsprojekts vom Bund finanziell unterstützt und durch die Uni Bern begleitet.
So sucht Swisscom Mobile beispielsweise nach einem „besonders innovativen“ Service, „welcher aufgrund seines hohen Kundennutzens von der Swisscom kostenpflichtig angeboten werden kann“. RailCity wiederum sucht „einkaufsfördernde Massnahmen“ für die Geschäfte in Bahnhöfen, während die Schweizerische Mobiliar nach Ideen für zusätzliche Funktionen in ihrem Extranet für Makler sucht. Spannendes sucht auch die Schweizer Rüstungsfirma RUAG:
Analyse von Bedrohungen für gepanzerte Fahrzeuge
Die RUAG Land Systems möchte im Rahmen einer Marktanalyse militärische Bedrohungen der Zukunft erkennen, um entsprechend früh bei der Herstellung von Schutz- und Abwehrsysteme für gepanzerte Fahrzeuge zu reagieren.
Das Problem dabei liegt einmal mehr an der spärlichen Bezahlung. Ganz dem Community-Gedanken verpflichtet, sollen die Innovatoren, wie die Ideentüftler genannt werden, ihre Ideen praktisch gratis herausgeben. In Cash daily heisst es dazu:
„An jedem der insgesamt 14 Projekte sollen bis zu 100 Leute arbeiten“, sagt Christian Hirsig, Geschäftsführer von Open Innovation, der das Projekt mitinitiiert hat. […]
Der Lohn, der rausspringt, ist allerdings bescheiden. Für die beste Lösung gibt es maximal 5000 Franken, bei gewissen Firmen gar weniger.
Tatsächlich zahlt Swisscom Mobile mit Fr. 5000.- noch am meisten, während der Versicherungskonzern Die Mobiliar Ideen für ihr Makler-Extranet nur mit Fr. 1000.- entlöhnen will. Arbeiten also z.B. 5 Leute am ausgezeichneten Projekt mit, erhält am Ende jeder nur Fr. 200.-. Nicht gerade viel für die Entwicklung einer Substitutionslösung für Reissverschlüsse oder der Ausgestaltung klimafreundlicher Dienstleistungen…
ist eine schweinerei. ich verschwende doch nicht meine kostbare zeit, um tolle ideen zu liefern, die vielleicht und wenn, dann nur schlecht entlöhnt werden.
Also wer eine Substitutionslösung für Reissverschlüsse weiss oder auch nur ( 😎 ) schon eine Substitutionslösung für Anseilknoten, der wäre tatsächlich schön blöd, würde er diese für ein paar Hunderter bekannt geben…
Am (ab)stossendsten finde ich in den AGB:
„Die Innovatoren verpflichten sich, keinen gewerblichen Schutz (Patent-, Marken-, Design- oder Topographienschutz) auf ihr im Pilotbetrieb der Open Innovation GmbH veröffentlichtes geistiges Eigentum zu erheben. Unterstehen Beiträge dem Urheberrecht, so geht dieses Recht im Pilotbetrieb an das projektausschreibende Unternehmen über.“
Könnte man als Über-den-Tisch-ziehen werten. Jedenfalls ist es ethisch verwerflich.
Würde es auch nicht einsehen, meine Zeit dafür zu verschwenden. Irgendwann ist auch mal genug.
Also ich hab mir das auch kurz angeschaut. Und es handelt sich ja da um einen Pilot. Ich denke die Firmen werden ja sicherlich dann schon mehr bezahlen, wenn die merken, dass dabei etwas rauskommt.
Aber bei einem Pilot kann man von den Firmen vermutlich auch nicht viel mehr erwarten als Porotkässeli-Beiträge.
Ich hoffe auch, dass die AGB sich für eine allfällige Markteinführung noch ändern.
Ansonsten finde ich die Idee aber sehr cool. Hab nämlich öfters Ideen, die ich selber eh nicht umsetzen kann oder will. Ich hab mich jedenfalls mal angemeldet.
Hmm ich weiss nicht so recht. Ist halt so eine Dogmengeschichte – früher hat auch niemand an den Nutzen des Internets oder sogar an PC’s. Aller Anfang ist schwer.
Man kann es ja auch so sehen: Wenn ich Offerten für eine neue Küche machen lasse, müssen die Küchenbauer auch Vorschläge ausarbeiten und am Schluss wähle ich das Beste aus. Das scheint bei openinnovation gleich zu laufen. So wie ich das Verstehe geht es ja nicht drum eine Halbe Firma neu zu erfinden. Lediglich um ein paar Vorschläge die man zusammen mit anderen zu einer „Offerte“ ausarbeitet.
So wie ich auf diesem Blog “Bürgerjournalismus-Aktivitäten” durchführe könnte ich mir auch vorstellen Bürgerinnovations-Aktivitäten durchzuführen – und wenn’s dafür noch Geld gibt umso besser, Hauptsache es macht Spass, ist Interessant und ich kann etwas lernen dabei. Und seien wir mal ehrlich wenn wir eine Idee für Swisscom haben können wir die ja eh nicht selber umsetzen oder?
Gruss
Freidenker
Herzlichen Dank für den Beitrag und alle Postings in Ihrem Blog.
Es ist wirklich so, dass wir mit Open Innovation noch ganz am Anfang stehen und es noch viele Fragezeichen gibt. Wie beispielsweise die Höhe der Prämie, die Qualität der Lösungen und auch das Geistige Eigentum. Aus diesem Grund führen wir diesen Pilotbetrieb durch und hoffen im Sommer 2008 mit viel weniger oder wenigstens anderen Fragezeichen auf den Markt kommen.
Ich möchte nur ganz kurz zu ein paar Postings Stellung nehmen:
… kostbare zeit, um tolle ideen zu liefern …
Wir gehen nicht davon aus das eine Person alleine tolle Ideen liefert. Viel mehr sollen Menschen tolle Ideen gemeinsam generieren.
… nur schlecht entlöhnt werden …
1. Sollte man bei Open Innovation nicht nur des Geldes wegen mitmachen. 2. Glauben wir das die Unternehmen Vertrauen in den Ansatz gewinnen und die Prämien steigen werden. Auf welche Höhe wird uns der Markt sagen.
… Am (ab)stossendsten finde ich in den AGB …
Hier gebe ich dem Autor recht. Wir möchten eine Plattform schaffen auf der das Wissen frei ist. Doch da hätten die Firmen in einer ersten Runde nicht mitgemacht. Verstehen Sie bitte, dass wir noch auf einem langen Weg sind und auch Sie durch Ihre Teilnahme das Ziel mitbeeinflussen könnnen.
… Hauptsache es macht Spass …
Genau, das ist der Punkt. Ideen zu entwickeln soll Spass machen, weil man von anderen Usern für gute Ideen Anerkennung bekommt und sich in gewissen Bereichen kreativ verwirklichen kann. Wir werden versuchen, möglichst viele nicht-monetäre Gründe (welche mich übrigens als motivierender empfinde) zu liefern, um bei uns mitzumachen. Zum Beispiel: Eine Funktion die mir Online-Arbeitszeugnisse als PDF ausstellt und diese digital signiert. Diese kann ich dann bei meinem Arbeitszeugnis beilgegen. Bestimmt hast Du Leser nun auch die eine oder andere spannende Idee dazu und wenn du diese mit mir teilst und wir am Schluss tolle Funktionen haben profitieren hauptsächlich unsere Nutzer davon. Das ist unser Verständnis von Open Innovation und aus meiner Sicht in keiner Weise ethisch verwerflich.
Gebt uns eine Chance!
Super Idee. Finde ich toll. Der Aufbau der Firma (und vor allem die Überzeugungsarbeit, welche wohl nötig war für solch grosse Firmen für einen Pilot zu gewinnen) wird sehr gross sein. Weiter so, Christian Hirsig!
Und an die anderen: Immer nur meckern und das Negative suchen…
Es fällt auf, dass regelmässig die gleichen Kommentargeber auf die Ausrufpauke hauen… Schade, lieber selber mal was leisten;-)
Naja, wie man das halt sieht.
Die Geschäftsidee auch die Produktidee und die wirtschaftliche Umsetzung sind zwei paar verschiedene Schuhe.
Aber eine neue Idee ist meiner Meinung nach, viel zu viel Wert, um sie einfach für einen Dumpinglohn zu offerieren.
Klar ist, das überall im Geschäftsprozess gespart wird. Aber die Produktidee/-entwicklung ist ganz klar die falsche Stelle.
Ich glaube, der Titel von Toms Eintrag ist nicht sehr präzise („Geschäftsidee“).
Bei Christian Hirsig möchte ich mich noch für die Stellungnahme bedanken. Auch wenn das zu Ihrem Job gehören mag – Sie haben schnell reagiert und sich nicht um die hier geäusserten Kritikpunkte herumgemogelt. Das ist so selbstverständlich auch wieder nicht.
Und – obwohl Skeptiker – wünsche ich Ihnen und Ihrem Team viel Erfolg.
@Christian Hirsig: Klar, die Chance bekommt ihr auf alle Fälle. Angemeldet bin ich auf der Plattform bereits und bin, trotz Kritikpunkten, gespannt, was sich weiter tut…
@Gris-Gris: Inwiefern denn unpräzise? „Entwickeln Sie einen besonders innovativen Swisscom-Service“, oder eine Lösung „welche es ermöglicht die Reissverschlüsse durch ein alternatives Verschluss-System zu ersetzen“, eine „alternative Lösung für Anseilknoten im Bergsportbereich, die diesen potentiellen Gefahrenpunkt ersetzt oder die Möglichkeit der Fehlanwendung ausschliesst“, „Ideen für eine Erweiterung des Sortiments von Caotina“ oder „Toshiba sucht nach Ideen, wie er mehr Käufer von Notebooks zum Abschluss von Garantieverlängerungen (drei Jahre anstelle des Standards von einem Jahr) überzeugen kann“ klingt für mich alles durchaus nach neuen Geschäftsideen, oder zumindest nach einer Erweiterung des Geschäftsmodells…
Nur: „nicht sehr präzise“ – und nicht: „unpräzise“, Tom.
Eine verbale Haarspalterei, Tom, von mir, durch Luftgucker (Geschäftsidee – Produktidee – wirtschaftliche Umsetzung) angeregt.
Ideen für’s Geschäft (der beteiligten Firmen) sind gesucht. Das – ja! Dieses „Brainstorming“ kann aber auch Teil einer Marketingstrategie sein, eine andere Form der Meinungs-/Nutzerforschung usw.
Aber was weiss ich schon? Ich bin ja kein „Werbefuzzi“ . 😎
Mit dir als Teilnehmer wäre dann schon mal für etwas mehr Transparenz gesorgt. Eine „Schweigepflicht“ i.e.S. ist mir in den AGB nicht begegnet. D.h. Fortsetzung folgt hier aufm Blog, so hoffe ich.
Naja, mal sehen ob ich zum einen oder anderen Projetk zugelassen werde. Beim Militär oder bei der Ablösung des guten alten Reissverschlusses hab‘ ich zwar wenig Erfahrung, aber wer weiss, was mir da noch alles über den Weg läuft 😉
Hallo allerseits,
ich melde mich nochmals. Ich bin sehr positiv überrascht wie offen unsere Idee hier diskutiert wird. Auch das ist im weitesten Sinn Open Innovation, sofern wir es zulassen, eure Gedanken in unsere Geschäftsstrategien einfliessen zu lassen. Und das werden wir bestimmt – versprochen.
Denke es lohnt sich auf jeden Fall bei uns von Anfang an dabei zu sein, um die erste Open Innovation-Plattform, die auf die kollaborative Innoationsfindung setzt, gemeinsam zu gestalten.
Noch einen schönen Sonntagabend…
Christian