Dass sein Beitrag „Appello per la Birmania: STOP Blogging for Birmania“ Pate für die wohl bisher grösste Aktion der Blogosphäre stehen würde, hätte sich Dario Salvelli am 28. September 2007 sicher nicht vorstellen können. Doch kurz nachdem Robert Basic Wind von der Sache bekam und einen ersten Beitrag dazu schrieb, ging die Post ab und es wurde diskutiert und organisiert.
Nach nur sechs Tagen Vorlaufzeit war es dann soweit und der erste Post zum Aktionstag „Free Burma“ erschien um 00:59 Uhr lokaler Zeit in Neukaledonien, gefolgt von unzähligen weiteren Solidaritätsbekundungen auf Blogs und Websites aus aller Welt. Glaubt man Technorati, so wurden über 8’700 Blogposts zum Thema „Free Burma“ geschrieben und auch die Unterschriftenliste auf free-burma.org ist bereits bei 13’800 Unterzeichnern angekommen, was ich doch ziemlich beachtlich finde.
Kritik
Dass eine solche Aktion auch Kritiker hervorruft, ist natürlich ebenso klar. Einige der Hauptkritikpunkte in Kürze:
Die Aktion ist nutzlos, weil damit in Burma nichts verändert werden kann und die Burmesen zudem noch nicht mal von den Solidaritätsbekundungen Kenntnis bekommen.
Das Militärregime wird wegen einer solchen symbolischen Aktion weder die Einsatzdoktrin ändern oder gar die Macht abgeben, klar. Ich glaube nicht, dass sich auch nur ein Teilnehmer der Illusion hingegeben hat, mit seinem Beitrag zum Aktionstag in Burma direkt etwas ändern zu können. Daraus aber zu schliessen, eine solche Aktion sei deshalb nutzlos, ist jedoch grundfalsch, denn auf ein Thema aufmerksam machen kann man nicht nur auf der Strasse sondern durchaus auch virtuell. Kommt dazu, dass Sympathiebekundungen in meinen Augen NIE nutzlos sind. Und zumindest ein Teil der Burmesen dürfte Kenntnis von der Aktion gehabt haben, da Radio Free Asia, welches von Thailand aus in birmanischer Landessprache nach Burma sendet, hat im Vorfeld darüber berichtet.
Warum ausgerechnet Burma? Für andere Krisenherde wie den Sudan oder Tschetschenien interessiert sich ja sonst auch niemand. Wer A sagt, muss auch B sagen…
Immerhin ein Kritikpunkt, den ich grundsätzlich nachvollziehen kann. Sicherlich liegt das wohl einerseits daran, dass Burma „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ war. Allerdings kommt in meinen Augen auch dazu, dass in Burma keine kriegerische Auseinandersetzung stattfand, sondern friedliche Protestmärsche auf brutalste Art und Weise gestoppt wurden. Dass wir durch Blogger zudem während Tagen quasi „hautnah“ dabei waren, dürfte den Effekt noch verstärkt haben.
Ein interessantes Statement dazu liefert auch die Wissenswerkstatt:
ist es nicht begrüßenswert, daß die Blogcommunity wenigstens jetzt, wenigstens einmal ihr soziales, politisches Gewissen entdeckt? Will man tatsächlich demjenigen, der endlich auf Mißstände aufmerksam geworden ist, verbieten sich nun zu engagieren? Und abgesehen davon: müßte man dann nicht jedes Engagement diskreditieren? Denn: wer sich bei Amnesty International engagiert, demonstriert der nicht, daß ihm die oftmals unwürdige Massentierhaltung gleichgültig ist? Steht folglich nicht jeder, der sich für eine Sache einsetzt, in der Kritik, weil er deshalb andere Mißstände nicht verbessern hilft?
Vielen Exponenten ging es gar nicht um das Thema Burma, sondern einmal mehr darum, möglichst viele Links aufs eigene Blog einzuheimsen und damit die Position ihrer Blogs weiter auszubauen
Sorry, aber bei solchen Behauptungen kommt mir schlicht und einfach die Galle hoch. Natürlich bestreite ich nicht, dass die Aktion auch mir einige Links eingebracht hat. Die Unterstellung, dass die Links jedoch der Grund für die Teilnahme waren, finde ich unter „aller Sau“. Das hätte ich, wenn es mir wirklich um die Links gegangen wäre, wesentlich einfacher haben können. Dann nämlich hätte ich lediglich ein paar Posts zum Thema verfasst, und nicht Stunden investiert um Blogger in anderen Ländern auf die Aktion aufmerksam zu machen, Firmen zur Mithilfe zu bewegen oder Pressetexte in der Welt herumzuschicken.
Persönliches Fazit
Aus meiner Sicht war die Aktion ein voller Erfolg, auch wenn einiges besser (oder anders) hätte laufen können. Doch daraus kann man für ähnliche „Mobilisierungsaktionen“ nur lernen. Für einen Aktionstag, der in noch nicht einmal einer Woche „aus dem Boden gestampft“ wurde, darf sich der Erfolg allemal sehen lassen.
Allerdings bleibt für mich derzeit offen, ob ich mich in Zukunft noch einmal (öffentlich) für eine solche Aktion einsetzen werde. Ich hatte mir bereits am Anfang von „Free Burma“ überlegt, ob ich daran teilnehmen soll, denn thematisch passt das Thema nun nicht wirklich in mein Blog. Ich war (und bin) aber von den Ereignissen in Burma erschüttert, weshalb ich persönlich mit der Teilnahme ein Zeichen setzen wollte. Dass ich mich danach (und wahrscheinlich nun auch noch einmal in den Kommentaren) aber fast noch dafür rechtfertigen und mir Linkgeilheit etc. vorwerfen lassen muss, verdirbt mir die Laune jedoch ziemlich.
Ja liebe Kritiker, damit dürfte dann wohl auch das Thema Sudan, Tschetschenien etc. erledigt sein, denn ein Post zu diesen Themen müsste in euren Augen ja dann genauso nutzlos sein, wie die „Free Burma“-Kampagne…
(Bilder: free-burma.org | MoonSoleil)
Auf diese Kritik kannst Du stolz sein! Denn sie entspringt dem Neid jener, welche nie im Leben eine solche Mobilisierungsaktion zustande bringen würden.
Das finde ich auch, darauf kannst du stolz sein.
„Die Unterstellung, dass die Links jedoch der Grund für die Teilnahme waren, finde ich unter ‚aller Sau‘.“
Ich bestreite nicht im Geringsten, dass du, Tom, aus lauteren Absichten gehandelt hast; auch nicht Robert Basic. Allerdings hat Letzterer noch im Mai dieses Jahres in einem Interview gesagt, er interessiere sich „seltenst für Politik“. Und dann dieser „Gesinnungswandel“…
… das machte zumindest stutzig.
Und letztlich finde ich es nicht „unter ‚aller Sau'“, wenn insbesondere kleine Bloggerinnen und Blogger grossen Ansagen gegenüber kritisch sind, weil sie ahnen, dass die Blogosphere nicht zuletzt auf dem Prinzip „Wer hat, dem wird gegeben“ beruht…
… und dass stets – legale wie illegale (z.B. Linkkauf) – Webmaster-/SEO-Strategien mehr darüber entscheiden, ob „Botschaften“ Verbreitung finden – und nicht die Qualität und Ernsthaftigkeit des Contents. Auch erlebten sie schon x-mal Geschrei und Gehype von Alpha-Tieren in irgendwelchen Angelegenheiten. Das stumpft ab.
Deine – im Übrigen sehr gute – Analyse hier wäre noch besser geworden, wenn du diesen Aspekt nicht nur mit kräftigen Worte „weggedrückt“ hättest.
Was Burma anbelangt; Es gab/gibt auch eine Initiative von Amnesty International (für ein „Protestschreiben“). AI hat meiner Meinung nach zu Recht hohe Glaubwürdigkeit – anders als die Privatinitiativen von Bloggern, die meiner Meinung nach als Instrument für derartige Kampagnen nur höchst beschränkt tauglich sind. Selbst dann, wenn sie ehrlich&anständig&lauter sind. Siehe oben!
Ich würde mich nun auch nicht als jemanden bezeichnen, der sich „extrem“ für Politik interessiert. Die Vorkommnisse in Burma setzen das aber auch nicht voraus, denn Betroffenheit benötigt ja keine Politikkenntnisse. Sicher, um das „drumherum“ besser zu verstehen, ist danach ein Exkurs in die Politik sicherlich notwendig. Insofern muss man also, denke ich, nicht besonders politikinteressiert sein, um die Gegebenheiten in Burma zu verurteilen.
Mich stört vielmehr etwas anderes: Egal zu welchem Thema Blogger versuchen, etwas zu erreichen: Es geht nie lange, und der Vorwurf des Linksammeln kommt auf. Manchmal scheint es mir, als dass Bloggern grundsätzlich keine hehren Absichten zugetraut werden. Lediglich die Linkmaximierung scheint ihnen wichtig zu sein, und das ist schlicht und einfach nicht wahr. Was Robert in seinem Blog schon sagte, gilt auch für mich: Natürlich hat mir die Free Burma-Aktion einige neue Links eingebracht, das war aber schlicht nicht die Idee. Selbst wenn keiner auf mich verlinkt hätte, was ich im übrigen auch nirgends verlangt habe (ich komm ja auch auf free-burma.org nirgends vor), wäre ich nicht enttäuscht von der Aktion. Wieso auch? Denn für einmal gings nicht um mich ode um die Blogosphäre, sondern um ein ehrliches Ziel.
Aber interessant, dass Bloggern stets die Selbstrefenzialität vorgeworfen wird, und dann, wenn es doch mal um was anderes geht, trotzdem nur „diese Karte“ gezogen wird.
Natürlich hätte ein gemeinsames Vorgehen z.B. mit AI auch seine Reize gehabt. Aber soweit ich weiss, war die Initative von AI noch gar nicht bekannt, als über free-burma.org bereits heftig diskutiert wurde. Insofern wurde die „Blogger-Aktion“ vielleicht einfach zu schnell organisiert…
@Gris, ich verstehe immer noch nicht, was dieser Politbezug bedeutet. Ich interessiere mich null für schwafelnde Politiker wie auch die Politik selbst. Ich brauche keine Politik, um menschlich zu sein, oder ist das neuerdings alles politisch?
@Robert: Ich glaube zu wissen, was du meinst. Man kann das so sehen – die Menschenrechte haben letztlich nichts mit „schwafelnden Politikern“ zu tun.
Allerdings ihre Anwendung und Durchsetzung halt schon. D.h. ich sehe das dann doch anders wie du. Schon die Verabschiedung der von dir zitierten Menschenrechtsdeklaration war ein politischer Hochseilakt. Die Zustände in Burma sind auch ein „geopolitisches Produkt“ (die Interessen Chinas, Indiens, sogar Russlands – das hat ja die UN-Debatte gezeigt… ein einziges Geschwafel, leider).
Aber, wem sag ich das. Das muss ich dir ja nicht erklären. Ich möchte dich auch nicht auf irgendeine Interview-Aussage festnageln und damit herumhausieren. Ich habe die Aktion sehr gut gefunden, wir haben mitgemacht. Und wir machen auch wieder mit, wenn etwas (anderes) auf der Agenda steht und wir es gut finden.
Aber man muss auch kritische Anmerkungen machen dürfen und auch zur Kennntnis nehmen, was andere kritisch äussern (soweit man da in der Sphere überhaupt nur einen Hauch von Überblick hat). Andernfalls kämen wir uns wie Schafsköpfe vor, die herunterbeten. 😎
Gratulation zum Erfolg, übrigens – und Chapeau für deinen Einsatz!