
Die Mitglieder von Baker & McKenzie International, „einem Verein nach dem Recht der Schweiz„, scheinen derzeit die kommerziellen Nutzniesser einer regelrechten Einschüchterungs- Kampagne zu sein. Im Auftrag der Infront Sports & Media AG, der Inhaberin der Bildrechte an der FIFA WM 2006™, verschickte diese nämlich brisante Briefe [PDF] an allerlei Internet-Provider. Darin wird auf das unerlaubte Streaming von WM-Spielen hingewiesen, und die Provider werden für den Fall, dass Infront unerlaubtes Streaming oder Downloads feststellen sollte, aufgefordert, Kontaktdaten des Beschuldigten herauszugeben. Dass die Provider damit gegen geltendes Recht verstossen würden, erwähnen die Anwälte im Brief aber leider nicht.
Nun ist man offenbar sogar dazu übergegangen, einzelne Blogs ebenfalls direkt anzuschreiben. So erhielt beispielsweise auch Boing Boing ein solches Schreiben:
The letter goes on to warn Boing Boing that Baker & McKenzie will be „actively monitoring your website … to identify unlawful activity and will, if necessary, take appropriate action to ensure the protection of Infront’s rights of those licenses.“
Immerhin, die Antwort von Boing Boing lässt schmunzeln:
Baker & McKenzie, be on alert: henceforth, Boing Boing will be actively monitoring your website to identify dumbass activity and will, if necessary, take appropriate action to point out instances of wasting clients‘ money by sending out unnecessary and obnoxious warning letters.“
Das Vorgehen von Infront bzw. der Anwälte von Baker & McKenzie hat wohl (bisher) Seltenheitswert, denn vor dem Eintritt eines Rechtsbruchs ist wohl noch selten eine Anwaltskanzlei derart massiv aktiv geworden. Allerdings dürfte dies Baker & McKenzie auch einiges an Honoraren einbringen (und damit Infront einiges kosten), denn offenbar beschäftigt man sich seit Monaten mit dem Versand solcher Schreiben.
Nicht eingerechnet hat man bei allen Beteiligten aber, dass solche Briefe auch Nachfragen provozieren können, obwohl man bereits in den versandten Briefen darauf hinweist:
[…] please let us know, if you have any questions about our client’s rights or any other matter which will enable you to take the quickest action should your service be used for unlawful transmission of the FIFA World Cup in whole or part.
Bereits am 30. April 2006 stellte ich der FIFA nämlich einige Fragen betreffend der Bildrechte. Dort allerdings schien niemand interessiert, die Rechtslage darzulegen. Als Fredy Künzler am 8. Mai dann auf den Brief betreffend der Rechte von Infront hinwies, nahm ich das zum Anlass, direkt bei Dr. Urs Zenhäusern von Baker & McKenzie nachzufragen. Aber dieser teilte mir lediglich mit, dass er mit mir über meine Fragen „keine Korrespondenz führen“ könne. Ich solle mich doch direkt an Jörg Polzer, seines Zeichens Manager Communication & PR bei der Infront Sports & Media AG, wenden. Wie, keine Korrespondenz führen? Ich dachte, bei „questions about our client’s rights“ soll man mit Baker & McKenzie in Kontakt treten?
Wie auch immer: Es passt ins Gesamtbild, dass auch Jörg Polzer keine Lust auf die Beantwortung meiner Fragen hatte. Zwar erhielt ich am Sonntag, 14. Mai ein Mail, in dem mir eine „zeitnahe“ Bearbeitung meiner Fragen versprochen wurde und ich auf „Mitte der Woche“ vertröstet wurde. Danach wurde es aber ruhig. So ruhig, dass ich bis heute keine Reaktion mehr erhalten habe.
Komisch nur, dass ich bis heute keinen Brief von Baker & McKenzie erhalten habe, denn aufgrund meiner Anfragen sollte man dort doch gewarnt sein, dass ich eventuell einen groben Verstoss gegen die Rechte von Infront plane. Schliesslich wollte ich in meinen Anfragen u.a. wissen, ob ich selber geknipste Fotos auf dem Blog veröffentlichen darf. Aber vielleicht wartet man in meinem Fall lieber zu und beantwortet die Fragen absichtlich nicht, um mir dann dafür eine satte Lizenzrechnung zu senden.
Da bleibt mir wohl nur, nochmals auf meine gefährlichen Aktivitäten aufmerksam zu machen:
(Bild: We Blog Cartoons)
Ob es an der Euro 2008 anders sein wird? Leider kaum…
[Update]
Übrigens gibt es 100 Dinge, die wichtiger sind als diese Veranstaltung in Deutschland:
(via CH Internet Szene)
Wo liegt eigentlich das Problem?
Jemand kauft sich die Rechte um die WM 2006 via Internet zu übertragen. Dieser „jemand“ beauftragt eine Anwaltskanzlei damit, grössere Internet-Anbieter um eine Kontaktperson für den Fall zu bitten, dass über einen solchen Internet-Anbieter unrechtmässig die WM 2006 übertragen werden sollte… was soll daran brisant sein?
Aber schön, dass sich die Pubertierenden unter den Bloggern damit beschäftigen können, dann bleibt wenigstens das WM 2006-Bier im Kühlschrank… 😉 Prost! 😀
Muss eigentlich jeder Schweizer englisch können? Also ich finde das ganz schön frech von denen, einfach in englisch zu schreiben. Aber so sind sie halt, die Herrscher des Universums (welches?), Hüter des Rechts (wessen?) und Retter des Abendlandes…
Habt ihr auch so ein Schreiben bekommen ?
Dear Mr. Barkeeper,
as far as you should know the Fédération Internationale de Football Association (FIFA) is organising the World Championships in Football for National Teams, shortly WC .
To ensure to reemburse the very high costs arising out of organisation and the high payments given to our officials, we have already claimed the combination of „W“ and „C“ as registered and copyright protected marks at german national patent-office and european patent-office for exclusive use to Fédération Internationale de Football Association (FIFA) and their official sponsors.
Unfortunately we had to learn that you use that protected combination of letters for commercial purposes as well, although you are neither owner of this trade mark nor you are authorised by the owner or his executive officers.
As you further might know we pay a lot of people monitoring commercial premises for possible breech of law. Though we do have information of an absolutely trustee source, that you unlawful use „WC“ in your restaurant area at the doors leading to your toilets.
We request you to ommitt any further use of „WC“ inside your bar. If you have not proofed ommission of use until 10.05.2006 we will consult our lawyers without any hesitation.
Sincerely yours
xxxxx
Warum du kein Scheiben bekommen hast und sich niemand für deine Fragen interessiert? Vermutlich bist du zu wenig wichtig.
Es war mir, es gäbe sogar so etwas wie ein „Panoramarecht“. Den Eifelturm, z.B. nächtens in beleuchtetem Zustand, zu fotografieren und diese Fotografie zu veröffentlichen, sei illegal…
Ähnliches gilt für Personen, wenn man sie auf der Foto erkennen kann. Einschlägige Strandfotos (ihre Veröffentlichung ist ja ein hochbeliebtes Männerhobby) sind illegal. In vielen Teilnahmebedinungen von Fotowettbewerben wird darauf hingewiesen, dass Fotos von Personen nur teilnahmeberechtigt sind, wenn die (schriftliche) Einwilligung der fotografierten Personen beigebracht wird…
Für private Zwecke darf man fast alles, sobald man aber veröffentlicht…
Leuchtet ja ein. Auf den Blogs ist ja auch Werbung. Man benutzt attraktives Material (fremde Frauen, beispielsweise wie oben erwähnt), um Geld in die eigene Tasche zu erwirtschaften. Die WM ist eine besonders attraktive Braut… und leider halt auch in Privatbesitz. Die Nervosität der FIFA ist verständlich, in einigen Punkten hat sie (realistischerweise) ja schon nachgegeben.
Dennoch ein gutes Entry. Es dient der Allgemeinbildung in Rechtsfragen.
Der Privatisierungswahn geht weiter. Vielleicht finden wir ja noch ein paar Dinge, an die die FIFA nicht gedacht hat? Karteninhaber könnten beispielsweise Original-FIFA-Luft in Flaschen aus den Stadien tragen und veröffentlichen?!
Um die Suche der FIFA-Anwälte nach „bösem“ Content interessanter zu gestalten, könnten wir ja unsere eigenen Bilder (und Streams?) vom Boltzplatz auf dem Hinterhof veröffentlichen. Oder brauchen wir zum Fußballspielen auch eine Lizenz?
Der Rechtewahn wird zu einer Managerreligion und mir fällt da ganz spontan das Leben des Brian ein:
Jehova, Jehova, Jehova …
@Gris-Gris: Stimmt, die Pharmaproblematik geht da genau in die gleiche Richtung. Wahrscheinlich liegt die geringe Beachtung in den Blogs daran, dass die Blogger nicht selbst betroffen sind. Aber das sollte man sich wirklich mal etwas genauer ansehen…
Was allfällige nicht-FIFA-genehmigte Fotos und die dazugehörigen Spiele angeht: Da ich bis zum jetzigen Zeitpunkt keine FIFA-personifizierten Tickets besitze, werde ich an der Privatveranstaltung des FIFA-Vereins wohl nicht beiwohnen können, und so wird es auch keine Fotos geben. Ausser… ich gewinne irgendwo noch ein Ticket 😉
„Der Rechtewahn wird zu einer Managerreligion…“
Gestatte mir, in diesem Zusammenhang auf die Problematik „billige Medikamente für die 3. Welt“ hinzuweisen. Es gibt auch die Pharmaindustrie (und ihr Pochen auf die Patenrechte), nicht nur die FIFA.
Juristisch gar nicht so anders gelagert, praktisch allerdings schon (es geht um Leben oder Tod), in der Blogosphere eher weniger als ein Randthema.
By the way, da die Frage ja lautet „ob ich selber geknipste Fotos auf dem Blog veröffentlichen darf“ noch die indiskrete Folgefrage, an welchen Matches der ehrenwerte Moderator live teilzunehmen gedenkt. Entgehen uns gar original BloggingTom-Endspiel-Fotos hier aufm Blog wg. FIFA-Sturheit?
Sorry, PATENTrechte, nicht Patenrechte….:cool:
Fussball ist einmal ein Volkssport gewesen.Heute entscheidet Geld,ob man Fussball gucken darf oder nicht.Demnaechst wird vielleicht auch die Uebertragung im ARD und ZDF beendet.
Ich bin noch nicht einmal ein hartgesottener Fussball Fan,der regelmaessig die Bundesliga verfolgt,aber dass der unlizensierte Live-stream von Laender-Spielen mit der Deutschen National Mannschaft verboten wird, ist super schade.
Es dürfte uns in Europa gar nicht so schlecht gehen, wenn wir uns mit so grundsätzlichen Dingen wie, wer darf wann, wo und wie lange Fußballübertragen ansehen. Andersrum, der Turm von Babylon ist schon sehr hoch.
Alex ich muß dir recht geben, besser hätte ich es auch nicht beschreiben können.
Na, da würd ich mal einen Blick nach Südamerika werfen bzw. ein Ohr, z.B., in die Favelas halten.
Alles beruht halt auf dem Missverständnis Fussball=Arbeit.
Wie beim Naturgut. Auch die Früchte der Erde, z.B. Kohlrabi, sollten dem Volk kostenlos zugänglich sein.