Bund will Internet in Realtime überwachen

Der Internet-Verkehr in der Schweiz soll schon bald in Echtzeit überwacht werden – zumindest von verdächtigen Personen. Das Vorhaben des Bundes hätte eigentlich geheim bleiben sollen. Nachdem aber auf der Mailingliste der Swiss Network Operators Group (SwiNOG) heftig diskutiert wurde, hat „Die Wochenzeitung (WOZ) die als vertraulich gekennzeichneten Vernehmlassungspapiere veröffentlicht und dürfte damit einen Sturm der Entrüstung auslösen.

Teilnahme an einer Demo kann zur Überwachung führen
Die Schweizer Internetprovider müssen gemäss den Papieren künftig in der Lage sein, den Internetverkehr ihrer Kunden live mitzuschneiden und an die Behörden weiterzuleiten. Der Staat könnte also künftig eMails mitlesen, einem beim Surfen über die Schulter gucken, VoIP-Gespräche mithören oder sich am Bild der Webcam ergötzen. Die Überwachung soll zwar nur bei einem entsprechenden Strafverfahren möglich sein, doch die im „Bundesgesetz Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs“ (BüPF) genannten möglichen Voraussetzungen für ein Mitschneiden der Daten sind sehr weit gefasst. Eine Überwachung bei Entführung, Erpressung oder Kinderpornographie ist so ja noch nachvollziehbar, bei anderen dort aufgeführten Delikten sieht das schon wieder anders aus. Damit könnte der Staat nämlich auch vermutete Teilnehmer einer unbewilligten Demonstration oder mögliche Sozialhilfebetrüger im Internet belauschen. Da ist der Weg zu einer totalen Überwachung wegen Bagatelldelikte nicht mehr weit.

Vernehmlassungsfrist wegen „Dringlichkeit“ nur drei Wochen
Technisch aufrüsten sollen die Provider bereits ab dem 1. August 2009, denn der Dienst „Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr“ (Üpf) des Bundesamt für Justiz scheint es mächtig eilig zu haben. Die Provider hatten in der Vernehmlassungsphase, die normalerweise 3 Monate dauert, nämlich nur drei Wochen Zeit, sich zur geplanten Internet-Überwachung äussern. Das „Bundesgesetz über das Vernehmlassungsverfahren“ lässt eine solche Verkürzung der Frist zwar zu, allerdings nur bei „ausnahmsweiser Dringlichkeit“. Inwiefern hier diese Dringlichkeit gegeben ist, konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen.

In der Frist bis zum Inkrafttreten der Internet-Überwachung sollen sich die Provider entsprechend zertifizieren lassen und damit zeigen, dass die technischen Massnahmen für die Übermittlung der Realtime-Daten auch funktioniert. Bis Ende Juni 2010 müssen dann alle Schweizer Provider in der Lage sein, den Internetverkehr eines einzelnen Kunden mitzuschneiden und zu übermitteln.

Kleine Provider brauchen möglichst viele kriminelle Kunden
Die Kosten für die technischen Massnahmen sind von den Providern selbst zu tragen. Fredy Küenzler von Init7 rechnet mit Kosten in der Höhe von „Hunderttausenden Franken“ und mit ein bis drei Mannjahren Arbeit. „Für grosse Provider mag das verschmerzbar sein. Kleine Anbieter können den Aufwand aber unmöglich leisten“, so Fredy gegenüber der WOZ. Zwar erhält ein Provider, der den Datenverkehr seines Kunden anzapfen muss, eine Entschädigung vom Staat, die sich laut Informationen der WOZ in der Grössenordnung von tausend Franken bewegt, doch das reicht bei weitem nicht, wie es ein kleiner Anbieter auf den Punkt bringt: „Du musst also fast hoffen, dass möglichst viele deiner Kunden kriminell werden, wenn du die Investitionen amortisieren willst.“

Vernehmlassungspapiere (alle im PDF-Format)

(Artikel teilweise mit Material der WOZ)

8 Comments

  1. Hanjo 16.07.2009
  2. AndreasK 16.07.2009
  3. Dani Schenker 16.07.2009
  4. MAD 16.07.2009
  5. bakugan 16.07.2009
  6. shibumi 18.07.2009
  7. Alex L. 19.07.2009
  8. frank 19.07.2009