Der Sommer Jackpot-Preis

„Persönliche Überreichung Ihres Sommer Jackpot-Preises“ hiess es vor einigen Wochen in einem Wisch Brief der HSE Trading GmbH aus Altdorf im Kanton Uri.

Es ist offiziell! Unsere Hauptpreise gehen dieses Mal u.a. nach Hinwil. Sie Familie XXX, haben einen der Hauptpreise im Wert von 1.498,- CHF gewonnen.

Das nennt man eine freudige Überraschung, insbesondere wenn man noch gar nie an einem Wettbewerb der HSE Trading teilgenommen hat. Ach so, die Gewinner wurden aus „Ihrem PLZ Gebiet ausgelost“, das ist natürlich was ganz anderes.

Aber das ist noch nicht alles: Das Gewinnzertifikat verspricht, dass wir „bis zu 2 Gastehepaare“ zu einem „feinen kostenlosen Essen“ mitnehmen, zusätzlich an der Verlosung eines DVD Players teilnehmen können und jedes anwesende Ehepaar quasi als besondere Dreingabe noch einen MP3-Designerradio(!) geschenkt bekommt. Leider aber kann der Preis nur persönlich überreicht werden, eine postalische Zusendung ist nicht möglich. Schade, doch bei so einem kurzweiligen Abendprogramm kann man fast nicht „Nein“ sagen:

18.30 Uhr: Einlass. Persönlicher Empfang und Begrüssung
19.00 Uhr: Anfang mit kurzer Preis-Show. Überreichung des
Jackpot-Preises im Wert von 1.498,- CHF
20:30 Uhr Gemeinsames Essen

Kurzerhand also mit kleiner Verstärkung angetreten und schon begrüsste uns der Rolf in perfektem Hochdeutsch. Das Zertifikat sollten wir nun abgeben, doch das habe ich leider, leider zu Hause vergessen (ich lass mir doch meine Gewinnbestätigung nicht abnehmen…), aber nach kurzer Diskussion dürfen wir dann doch an der Verkaufsveranstaltung Verleihung des Sommer Jackpot-Preises teilnehmen. Doch: Was machen denn all die anderen Leute da? Haben die etwa auch alle den Sommer Jackpot-Preis gewonnen? Ich bin gespannt…

Dann gehts los: Michael, auch er Deutscher, verteilt Geschenke an die ältesten und die jüngsten Teilnehmerinnen. Die Seniorinnen bekommen ein Cremeset, u.a. mit Murmeltiercreme und die mit 29 bzw. 30 Jahren jüngsten je ein Plüschtier („Applaus bitte für die Damen“). Nun gehts Schlag auf Schlag: „Decke aus Merino Schafwolle“, „patentierter Aloe Vera Kissenbezug“ (hilft gegen Neurodermitis), „Anti-Schnarch-Stopp Kissen“ (man beachte die doppelte Negierung) oder die WaterLattex-Matratze. HSE Trading scheint aber eine spezielle Version der Matratze zu vertreiben, denn uns wurden verschiedene Versionen (je nach Gewichtsklasse des Schlafenden) angeboten. Dieses „Feature“ wird auf der Herstellerseite jedoch nirgends erwähnt.

Eines der Highlights war aber sicherlich die Strahlenschutzmatte, die vor gefährlichem Elektrosmog schützt. „Unsere Firma Euromed“ (wieso heisst die Firma nun Euromed?) hat ganze 5 Millionen Euro in die Entwicklung investiert „und es funktioniert trotzdem nicht“. Bis, ja bis man auf die Idee gekommen sei, das leitfähige Material der Schutzmatte zu erden. Michael demonstriert das auch gleich indem er ein Stromkabel unter die Matte legt und mit einem piepsenden Messgerät die vorhandene Strahlung aufzeigt. Doch als Assistent Harry Rolf den Schutzleiterstecker der Matte in die Steckdose steckt, ist das Piepsen weg. Keine Strahlung mehr, der helle Wahnsinn…

Doch das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz meint dazu:

Niederfrequente magnetische Felder können durch derartige Materialien nicht abgeschirmt werden. Die Matten könnten höchstens niederfrequente elektrische Felder abschirmen, wenn sich die Feldquelle unmittelbar jenseits der Matte befindet.

Auch bei hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (z.B. von Mobilfunksendeanlagen) ist eine Abschirmung prinzipiell nur dann möglich, wenn sich das abschirmende Material zwischen der Feldquelle und der betroffenen Person befindet. Da die Abschirmmatten jedoch als Unterlage verwendet werden, können elektromagnetische Felder, die aus allen anderen Richtungen auf den Menschen einwirken können, keinesfalls wirkungsvoll abgeschirmt werden.

Aaja, da waren die 5 Millionen Entwicklungskosten, die „unsere Firma Euromed“ investiert hat, also leider nur herausgeschmissenes Geld.

Sensationell dann auch die Preise: Das 3-teilige Eastland-System (Duvet, Kopfkissen, Stahlenschutzmatte) gibts für nur Fr. 1498.- zu kaufen. „Ach, sie haben bereits Duvet und Kopfkissen?“ Dann wär da noch das Sonderangebot bestehend aus Lattex-Matratze und der Strahlenschutzmatte, ebenfalls zum Preis von Fr. 1498.-. Und wer bereits Matratzen zuhause hatte, durfte sich auch für das dritte Angebot entscheiden: 1 Strahlenschutzmatte sowie eine zweite Strahlenschutzmatte geschenkt, kostet ebenfalls Fr. 1498.-.

Keine Ahnung ob es am aufkommenden Hunger lag oder am Alter, aber immerhin zwei Personen liessen sich zum Kauf der Produkte überreden, was auch sofort mit einer Unterschrift besiegelt wurde. Ich wollte mir das natürlich nochmal überlegen, so ein Kauf will schliesslich durchdacht sein. Doch meine Bitte um Prospekte wurde abgelehnt. „Kaufen können sie bei uns nur heute, darum gibt es auch keine Prospekte.“

Damit trotzdem niemand zu kurz kam, gabs dann auch noch das ultimate Schnäppchen, bestehend aus:

  • Reise-Bandscheibenkissen mit eingebautem Magnet, das „besser als Viagra“ funktioniert
  • 1 Geschenk im Wert von Fr. 80.-
  • 1 Überraschungsgeschenk
  • 1 Ledertasche
  • 18-teiliges Geschenkset

für sensationell günstige Fr. 69.99. „Wer da nicht zugreift ist selber schuld“. Und tatsächlich: Sechs Personen greifen zu und schnappen sich das Super-Sonderangebot für 70 Franken, denn die 1 Rappen Differenz gibts nicht zurück: „Den bring ich in die Kirche“, meint Rolf auf Nachfrage schnippisch.
Auch unsere Tischnachbarn, nicht zum ersten Mal an einer solchen Veranstaltung, greifen zu und freuen sich über all die neuen Produkte in ihren Händen. Das „Geschenk im Wert von Fr. 80.-“ entpuppt sich als Schuheinlage mit eingebautem Magneten sowie einer Gel-Füllung und das Überraschungsgeschenk ist eine einfache (Auto-) Sicherheitsweste. Unterhaltungswert hatte dafür das 18-teilige Geschenkset, das Rolf liebenswürdigerweise gleich in die Ledertasche gepackt hat: Ein kleines Nähset, sozusagen ein Survivalkit im Mikroformat:

18-teiliges Geschenkset in Ledertasche von HSE Trading

Danach, spannend, spannend, sollte eigentlich die Verlosung des DVD-Players unter den Anwesenden stattfinden. Leider konnte der Hersteller des Players aber keine deutschsprachigen Bedienungsanleitungen zur Verfügung stellen, so dass man schweren Herzens das zu gewinnende Produkt austauschen musste. Neu gab es also einen einzigartiges Infrarot-Massagegerät im Wert von 98 Euro zu gewinnen. Doch auch hier ging ich leer aus.
Dafür konnte ich mir ein Exemplar des MP3-Designerradios ergattern, welches alle anwesenden Ehepaare erhalten sollten. Nur wurde mir trotz Diskussion mit anderen Teilnehmern nicht klar, wieso da von MP3 die Rede war, denn das Ding ist ein simples UKW-Radio mit eingebauter Taschenlampe. Tja…

MP3-Designerradio von HSE Trading

Doch dann, endlich, der Höhepunkt: Die Überreichung der Sommer Jackpot-Preises: Ein Reisegutschein von von „Sponsor“ Time for Holiday AG. Zur Auswahl stehen laut Prospekt drei verschiedene Reisen: „Eine Woche Sonnenferien in der Türkei für 2 Personen„, „7 Tage Wellness-Erlebnis im schönen Schwarzwald“ oder „5 Tage Schweiz – Urlaub in Willhelm Tells Heimat„.

Klingt gut, hat aber natürlich einige Haken, wie ich während eines Telefonats mit Time for Holiday herausfand. Der Gutschein ist natürlich nur für 1 Person gültig, und die Anreise ist keinem Angebot enthalten (kann aber, wen wunderts, preisgünstig über Time for Holidays gebucht werden). Wer also zu zweit (mit Doppelzimmer) reisen will, hat einige Kosten zu tragen: Bei der Reise in die Türkei zahlt die 2. Person 1498.- für das Hotel (plus Anreise), im Schwarzwald Fr. 979.- (plus Anreise) und für das Angebot in der Schweiz noch Fr. 499.-. Die Reise kann zwar auch alleine angetreten werden, dann aber werden Einzelzimmerzuschläge fällig, die nicht im Gutschein enthalten sind.

Fazit: Natürlich ist das Ganze nur eine versteckte Verkaufsveranstaltung und womöglich muss man auch auf den Reisen noch irgendwelche Präsentationen über sich ergehen lassen. Wer aber nicht gleich alles unterschreibt was ihm unter die Nase gehalten wird, kann für einmal auch einen ganz lustigen Abend mit eingeladenen Kollegen und einem kostenlosen Abendessen verbringen. Kommt dazu, dass es wohl an den meisten Veranstaltungen einige Teilnehmer wie wir hat, die genau des Spasses wegen dort sind und immer wieder für den einen oder anderen Zwischenruf sorgen…

104 Comments

  1. Doug Beier 3.02.2009
  2. Stephan 16.02.2009
  3. Barbara 12.03.2009
  4. Zang 12.03.2009
  5. Beni 15.03.2009
  6. Beni 15.03.2009
  7. Alain 21.04.2009
  8. Peschä 7.05.2009
  9. Dieter Schmitz 7.05.2009